Styrian Psycho
Wie früher so viele Literaten war auch Bret Easton Ellis als
Gast in der Literaturmetropole gekommen. Das Schicksal wollte es so,
und bei einem Flug von München via Wien nach New York, setzten
am Himmel über Graz die Düsen der Boing das letzte mal aus,
so mußte die Maschine notlanden. Die American Airlines stellten
Ellis ein kostenloses Zimmer im Grazer Parkhotel zur Verfügung.
In der Fahrt vom Flughafen - den Bret Easton Ellis im übrigen
ganz putzig fand, so groß wie ein amerikanischer Sportflughafen
- zum Parkhotel fand jenes denkwürdige Gespräch statt, welches
ihn auf die Idee Styrian Psycho bringen sollte.
Der Taxifahrer Hans Reber, ein sehr schlecht, aber leidenschaftlich
englisch sprechender Grazer, ein echter Grazer eben, quälte den
zurückhaltenden und smarten Amerikaner mit Fragen, was er denn
so tue, von wo er komme, und wie lange er denn hier bleiben wolle,
gleich inbegriffen die Warnung, hier gibts eh nix zu sehn.
Nothing here to see! Nix to do in Graz! Ellis erzählte
ihm über den unglücklichen Versuch nach N.Y.C. zu fliegen,
und im Übrigen suche er den idealen Stoff für einen Roman.
You can not find here, here is nothing. Now is the winter, and
in the winter is no football. Satelite TV in the hotel is all.
So in etwa fokussierte der Taxifahrer sein Graz.
Plötzlich schaltete Hans Reber das Blaupunkt Radio auffallend
laut, unangenehm laut sogar. Ellis war verwirrt, und zündete
sich eine Marlboro Lights an. Reber drehte nach einigen Minuten das
Blaupunkt Radio wieder auf die frühere Lautstärke. Er dürfe
zu Hause nicht mehr den täglichen Sport anschauen, da in dem
anderen Programm die Seitenblicke laufen. Eine Gesellschaftsrevue
mit all den Promifuzis aus Kunst, Mode, Sport und Politik. Every
day, I think, I kill they. I kennat Biacha schreibn über
de ganzn Oasch mit Göd. Fuck Promis, fuck they. I can write a
book, I kill all stars. Mittlerweile waren Sie vor dem Parkhotel
angelangt. Here sleep Hitler in the war! Dafür bekam
er von dem Literaten 10 $ Extratrinkgeld, und mit einem Augenzwinkern
wünschte er ihm eine gute Fahrt. Der Audi Quatro brauste davon.
Ellis ließ sich in die größte Suite einquartieren,
er zahlte auch den nötigen Aufpreis. Während Reber so vor
sich hinsprach, war Ellis bereits in einer anderen Welt. Der Taxifahrer
sah nicht, daß Ellis schon im Taxi sämtliche Servietten
aus dem Flugzeug vollschrieb. Auf jeder Seite eine Skizze. Wertvolle
Notizen, wie sich später herausstellen wird. Schon am nächsten
Tag zu Mittag mußte er wieder am Flughafen sein. Nicht viel
Zeit also, doch genug um ein Werk ins Rollen zu bringen.
Nachdem er ein Styrian Beef Steak mit gedünsteten Bohnenschoten,
Kartoffeln, und Karfiol aus dem privatem Gemüsegarten verschlungen
hatte, fragte er die Kellnerin ob es hier in der Nähe so wie
in München ein Kaffeehaus gäbe, in das man sich zurückziehen
und in Ruhe schreiben könnte. Sie schrieb ihm die Adresse vom
Operncafé auf, einem Kaffeehaus in zentraler Lage. Nicht unklug,
denn je später es wird, desto weniger Publikum ist dort zu erwarten,
die Ruhe nimmt also zu. Er ließ sich vom Taxi, einem 200er Mercedes
zum Operncafé bringen. Dort brach er in Tränen aus. Es
war ein Tag Ende der 80er, und das Operncafé hatte noch immer
das Outfit der frühen 80er Jahre. Ob die Innenarchitektur vielleicht
unter Denkmalschutz stehe, so wie das Chealsey Hotel in New York,
wollte er wissen. Nein, warum, bekam er als verwunderte Gegenfrage.
Sein Roman sollte in den frühen bis mittleren 80ern spielen,
kein Ort könne dafür eine bessere Inspiration geben als
dieser. Wo in New York City sollte er ein nicht altes, dafür
altmodisches Café finden? Das Schreiben mit seinem Waterman
trieb so seine Blüten, und Ellis beschloß einige Zeit in
Graz zu bleiben. Bei heißer Schokolade von Zotter, die handgemachte
Zimt Honig Mischung, oder einem doppelten Braunen von Hornig verbunden
mit einer Petersquelle, ließ es sich gut arbeiten.
Nach zwei Monaten war das Werk Styrian Psycho beendet, und in dieser
Zeit hatte sich Ellis in unsere kleine Stadt verliebt.
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