KEN a crime story.
Erstes Kapitel
Jetzt bin ich einer von ihnen, soviel steht fest. Da gibt es eine
nicht sichtbare Trennlinie, die man erst erkennt, nachdem man es
tat. Nachhaltig erscheinende Trennlinien gibt es nicht viele im
Leben. Ich gehöre ab nun zu den anderen, zu denen, die es machten,
kein Weg soll mich jemals wieder zurückführen.
So sehr ich mich an meine neue Situation nicht gewöhnen kann,
so schnell werde ich es müssen. Aber das war mir schon vorher
klar, bevor ich es tat, also bitte, keine Zeit für faule Ausreden.
Wider Erwarten nahm mich die Sache dennoch mit, unkontrollierte
Schweißausbrüche, mein Hemd pickt an meinem Rücken
fest, Stirn und Schläfen sind naß. Ein Windstoß
aus der wieder aktivierten Klimaanlage kühlt mein Gesicht.
Wische meine Stirn ab, betrachte meine salzkalten Hände, erinnern
mich an eingelegte Fische auf dem Markt. Ich lege mich auf den cremefarbenen
Marmorboden, die Abkühlung tut gut, drehe mich nach rechts,
und betrachte mein Werk: Well done, nichts wird mehr sein wies einmal
war.
Niemand weiß, daß ich jetzt zu den anderen gehöre,
denn der eine der sah was ich tat, der liegt am Boden neben mir,
der kann es keinem mehr flüstern. Abgesehen davon, daß
ich jetzt zu den anderen gehöre, ändert sich nichts. Die
dritte Zigarette danach schmeckt kaum schlechter als die zweite
davor, und die Kotze in der Ecke des Zimmers riecht wie jede andere
Kotze auch. Da ich immer kotze, wenn ich mich aufrege, und da diesen
verschissenen Faden ja so und so nur ich sehe, ist ja doch alles
besten, klar doch! Aber es stinkt. Die Kotze stinkt, und er stinkt
mittlerweile auch, zumindest bilde ich mir das ein.
Ich stehe auf, meine Gelenke knacksen, greife über meine rechte
Wange, der Steinboden hinterläßt einen feinen Strich
auf meiner Haut, fühlt sich an wie eine hauchdünne nicht
genähte Narbe. Ich betrachte sie im überdimensionalen
Spiegel, sie ist weiß, und hebt sich vom übrigen Rot
der Wange deutlich ab. Im Spiegelbild sehe ich meinen Schweißabdruck
am Boden, besser gesagt den schweißigen Umriß meines
Körpers, erinnert mich an tranceähnliche Zustände
meiner Kindheit. Heiße Sommertage, an denen ich meine verschwitzte
Haut auf den kühlen Balkontisch legte, im bläulich dunstigem
Nichts mein Glück suchte. Unendliche Hitze, Licht - Schattenkollisionen,
die durch den plötzlichen Lärm des Rasenmähers ein
jähes Ende nahmen. Erschrocken reißt sich mein Fleisch
vom Tisch, was zurückblieb sind diese fabelhaften Abdrücke.
Eins, zwei, drei, sie waren verschwunden, die blaue, schwüle
Hitze ist geblieben - Indochina denke ich jetzt. Nun drehe ich mich
um, mein schweißiges Abbild löste sich in Luft auf.
So reglos er da am Boden liegt, so starr schaut er mir in die Augen,
mein kleiner Ken, der Barbiepuppenlover. Seine bläulichen Augen,
sein zartgeformter Mund, eigentlich sein ganzer Gesichtsausdruck
fragt nach einem Warum. Sein Kindergesicht weiß
keine Antwort. Warum ich das machte, will er wissen, als es doch
gerade noch so nett war, als er mich abknutschte, besser gesagt,
es versuchte. Schon mein flüchtiges Wegdrehen hätte ihn
warnen sollen. Spätestens als er nach meinem Arsch griff, hätte
ihm klar sein müssen, daß ich alles nur eines nicht will,
arschficken! Ein letzter kurzer Blick in die Augen, und mein Maul
stammelt etwas von Kohle. Ich verlasse den Raum, unvorsichtige fluchtartige
Bewegungen, nicht unlaut, eine Vase zerberstet. Ich steige über
sie hinweg, und pfeife kleine Melodien, von denen ich schon beim
Pfeifen nicht einmal mehr weiß, welche es sind, und gleite
nun doch elegant durchs Stiegenhaus. Frischluft, Freiheit, Adrenalin,
und mein Walkman spielt Lust for live von I. Pop. Ich
lache, manche Leute sterben mit einem Kindergesicht.
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