Martin G. Wanko
^ Jedem Hormon seine Rutsche. ^  



Hormonie
Stück in 10 Dialogen


1. Dialog
Bühne: Geräumiger Altbau, noble Stadtwohnung. Dachgeschoss. Wohnzimmer. Darin ein improvisiertes Filmstudio. Otto filmt Hanna. Otto gegen 50, Hanna, halb so alt.

OTTO: Und jetzt Hanna, komm näher, näher ... ja, ja, so ist gut ...näher, näher, trau dich ... lach, breiter, breiter, zeig Zähne ... ja, sehr schön, sehr schön ... mit dem Dekolleté weiter runter, ein bisschen ... braver Hase, Hanna, Hannahase ... soooo, ja, ja. Wunderbar! Da schütten’s dann Testosteron aus, dass einem ganz schwindlig wird!

Filmszene abgedreht.

HANNA: Puh ... bitte kannst du was gegen die Hitze tun, das ist ja nicht auszuhalten.

OTTO: Hanna, das ist noch gar nichts, wenn du erst richtig einsteigst ... im Übrigen spürst du nicht die Hitze, sondern deinen Noradrenalinausstoß, der macht dich nämlich leicht damisch ... schau mal, ich spiel dir die letzte Einstellung vor ...

HANNA: Du bist wirklich ein Vollprofi, Otto. Was du aus mir machst. Ich bin eine einfache Hospitantin, aus einem scheißnormalen Büro! Ich weiß nicht was da passiert, aber ich bin begeistert. Kannst du auf die Einstellung noch einmal zurückgehen?

OTTO: Gleich, gleich ... und jetzt schau, deine Lippen, schmollen und jetzt lachen, der Übergang ist das nicht eine Wucht!

HANNA: Nicht zu gewagt?

OTTO: Give the people what they want!

HANNA: Du musst es ja wissen.

OTTO: Noch dazu mehr als dir recht ist.

HANNA: Ja?

OTTO: Das, was wir in den Konsumenten erzeugen ist ein megageiler Testosteronschub. Sprich, die wollen dich vernaschen und deshalb werden sie sich für dich entscheiden, wenn sie den nächsten Film besetzen.

HANNA: Irgendwie klingt das alles desillusionierend.

OTTO: Das ist die Chemie in uns, die Hormone, Liebling. Das hat nichts mit Desillusion zu tun sondern mit biologischen Abläufen, Hase. Das ist einfach so. Der Rilke hat zum Beispiel von Schmetterlingen im Bauch geredet, wir hingegen wissen, dass die Verliebten einem Dopaminrausch unterliegen. Das limbische System schüttet Dopamin aus und wir fühlen uns dann wie auf Wolke Sieben. Das ist doch auch was, oder?

HANNA: Und was erzeug ich bei dir?

OTTO: Du lässt mir die Federn wachsen, die ich zum Vögeln brauch. Ich riech sogar schon nach Testosteron. Im Volksmund sagt man Schweiß dazu.

HANNA: Du bist so ein Dreckskerl ...

OTTO: Und jetzt kommt’s schon wieder! Testo! Testos! Testosteron! Ich lieg vor dir, du geiles Fickhormon!

Krachen auf das Sofa - Blackout

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